Ich hatte im Nachbarstädtchen etwas erledigt und befand mich auf der Rückfahrt. Für die Hinreise hatte ich die Autobahn genommen und teure Mautgebühren bezahlt. Nun fühlte ich mich - Aufgabe erfolgreich erledigt - etwas entspannt. Die eher gemütliche Landstraße würde mir die Gelegenheit geben, mich gedanklich mit der nächsten Aufgabe zu befassen.
So bemerkte ich ihn gleich, als die Straße nach einer Kurve in eine Gerade überging. Aufrecht, mit der den Schwarzen eigenen Würde, stand er am Straßenrand und blickte in die Landschaft auf der anderen Seite. Ein beginnendes Bäuchlein zeigte, daß er seine Jugend schon hinter sich gelassen hatte. Beim Geräusch meines herannahenden Autos blickte er in meine Richtung und hob leicht und gelassen seine Hand.
Mein erster Impuls war anzuhalten, wie schon so oft. Aber sofort stürmten andere Gedanken auf mich ein: Kriminalität - Berichte in der Zeitung - man weiß nie..... Und dann fiel mir eine gute Bekannte ein, die sich nur noch aus ihrer Einfahrt getraut, wenn Nachbarn sich auf der Straße zeigen... Nein - ich würde es nicht zulassen, daß meine Überlegungen, Begegnungen - ja, mein Leben nur von Furcht bestimmt waren! Ich bremste, fuhr auf den unbefestigten linken Straßenrand und hielt an.
Der Mann kam näher und blieb in respektvollem Abstand zu dem geöffneten Autofenster stehen. Ja, er wolle in die Stadt, sagte er auf meine Frage. Er stellte sich auch gleich vor: Sein Name sei Ethan. Ich lud ihn ein, einzusteigen. "Ich hoffe doch, daß Sie ein "braver" Mann sind", sagte ich, halb scherzhaft. "Eigentlich sollte ich ja keine Anhalter mitnehmen." "Das überrascht mich auch", nickte er ernsthaft. "Und dennoch bin ich erfreut. Aber Sie müssen keine Bedenken haben. Ich bin ein....." Und er nannte eine Religionsgemeinschaft, die für ihre strengen - fast sektenhaften - Vorschriften bekannt ist.
Es entspann sich ein äußerst interessantes Gespräch über Gott und sein Wirken im Leben eines Menschen. Ethan war bestürzt über das kürzliche Erdbeben auf Haiti, "wo doch die Menschen ohnehin so arm sind." Ihn tröstete daß es, da Gott gerecht ist, eine Gerechtigkeit gäbe, die erst im zukünftigen Leben ersichtlich sei. Ich muß sagen - zu keinem Zeitpunkt fühlte ich mich "missioniert" oder hatte ich den Eindruck, daß Ethan mich für seine Sicht der Dinge gewinnen wollte.
Aber die meiste Zeit sprach er über sein Töchterchen, fünf Jahre alt. "Ihr Name ist Barista", erklärte er mit leuchtenden Augen, "das bedeutet 'Blume'." Ich erkundigte mich nach der Mutter des Mädchens. War sie seine Frau? Das Leuchten erlosch. "Nein, nein," wehrte er entschieden ab, "das geht nicht!"
Nun war ich neugierig. Nach dem bisherigen Gespräch zu urteilen hatte Ethan hohe moralische Einstellungen - wie paßte das zusammen? "Sehen Sie," sagte er, etwas entmutigt. "Um die Mutter heiraten zu können, dafür brauche ich eine Kuh. Es muß eine schöne Kuh sein. Unter 5000 Rand (etwa 500 Euro) ist da nichts zu machen!" Und er erklärte weiter, daß fünf Kühe noch besser seien. Dann würde ihm der Vater seine Tochter sofort zur Frau geben. Aber eine Kuh sei das mindeste - und dann müße es eine gute und schöne Kuh sein. Nun - und das Geld dazu habe er leider nicht. Denn vorerst sei es wichtiger, sich um sein Geschäft zu kümmern, damit Barista auch etwas zu erben habe. "Denn Sie wissen ja, wie unsicher die Zeit ist. Wenn mir etwas passieren sollte, dann darf Barista keinen Schaden nehmen. Und sollte ich etwas Geld erübrigen können, dann fliege ich mit ihr nach Durban ans Meer. Das wünschen wir uns beide." Jedoch sorge er durchaus für seine Tochter, und werde auch die demnächst anfallenden Schulgebühren bezahlen.
Des Weiteren erklärte er mir, daß die teuersten Frauen die der Zulus seien, denn sie kosteten etwa 15 Kühe...
Zwar war mir das Prinzip des Lobola (=Brautpreis) bekannt. Aber nun erfuhr ich zum erstenmal aus erster Hand etwas über die Nöte des Mannes, die diese Tradition mit sich bringt. "Und deshalb", so resümierte Ethan, "haben unsere Frauen auch gerne viele Kinder. Und Sie können sagen, was Sie wollen - warum es besser ist, weniger Kinder zu haben, usw - für sie bedeuten Kinder ein späteres Einkommen."
Als er ausstieg, wünschte ich Ethan und seiner Familie alles Gute für die Zukunft. Weiße Zähne blitzten zu einem erfreuten Lächeln, als ich Barista's Name erwähnte.
Und ich war froh, angehalten zu haben.
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